Es ist ein malerisches Bild, das sich dem Reisenden bietet, wenn er sich zur Abendstunde dem altehrwürdigen Dresden nähert. In einem Talkessel, von grünen Bergen umgeben und von launischen Elbe durchzogen, liegt die einstige Residenzstadt. Das barocke Altstadtensemble aus Semperoper, Zwinger und Frauenkirche hebt sich vor der Abendsonne ab und lässt den Auswärtigen andächtig staunen.

Es war eben jener Dreiklang aus Natur, Kultur und Architektur, der der sächsischen Landeshauptstadt den stolzen Namen Elbflorenz eintrug und sie in den Rang einer strahlkräftigen europäischen Kulturmetropole erhob.

Nach internationaler Größe, wenn auch eher auf dem grünen Geläuf, sehnt sich seit Jahrzehnten das fußballerische Aushängeschild Dresdens: die Sportgemeinschaft Dynamo.

Die Gründung des Vereins war nicht ohne schwere Geburtswehen verlaufen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte die sowjetische Militäradministration (SMAD) zunächst alle „bürgerlichen“ Sportvereine in ihrem Verantwortungsbereich verboten; unter anderem auch den berühmten Dresdener SC, der 1943 und 1944 die letzten beiden deutschen Meisterschaften gewonnen hatte und der die sportliche Heimat des späteren Bundestrainers Helmut Schön gewesen war.

Stattdessen gründeten sich nach sowjetischem Vorbild und unter Aufsicht der SMAD Betriebssportgemeinschaften und Stadtteilvereine, die zunächst nur auf regionaler Ebene Wettkämpfe austragen durften. Eine dieser Mannschaften war die SG Volkspolizei Dresden gewesen, die im April 1950 nach der umstrittenen Auflösung der SG Dresden-Friedrichstadt deren Oberliga-Startplatz erhalten und mit Fußballern aus der gesamten DDR verstärkt worden war.

Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Nachdem das neue Dresdener Team in seiner ersten Oberliga-Saison noch mit dem vierten Tabellenplatz hatte Vorlieb nehmen müssen, feierte die am 12. April 1953 in SG Dynamo Dresden umbenannte Mannschaft im gleichen Jahr ihren ersten DDR-Meistertitel.

Doch der Erfolg weckte Begehrlichkeiten. Auf Geheiß der SED-Führung wurde im November 1954 die komplette Dresdner Mannschaft in die Hauptstadt Berlin delegiert, um fortan unter dem Namen SC Dynamo Berlin auf Torejagd zu gehen. Ein Vorgang, der in der damaligen DDR nicht unüblich war, zumal sämtliche Dynamo-Mannschaften den Sicherheitsorganen (Zoll, Volkspolizei und Ministerium für Staatssicherheit) des „Arbeiter- und Bauernstaates“ nachgeordnet waren.

Für die Sachsen bedeutete dieser sportliche Aderlass einen schwerwiegenden Qualitätsverlust, der für 15 Jahre ihr Los als Fahrstuhlmannschaft festschreiben sollte. Bis in die viertklassige Bezirksliga stieg Dynamo zwischenzeitlich ab. Erst mit dem dritten Wiederaufstieg in die Oberliga im Jahr 1969 begannen die goldenen Jahre des sogenannten Dresdener „Kreisels“, als die SG Dynamo unter ihrem Erfolgscoach Walter Fritzsch mit Präzision und ballorientiertem Spiel fünf Meistertitel und zwei FDGB-Pokalsiege einfuhr. Prägende Spielerfiguren dieser Ära waren Akteure wie Hans-Jürgen „Dixie“ Dörner, Hans-Jürgen Kreische oder Reinhard Häfner.

Und auch auf internationaler Bühne wussten die Sachsen zu überzeugen. Obwohl die Europa-Reisen der SGD zumeist im Viertelfinale ihr Ende fanden, blieben die Dresdener in 49 Europapokal-Heimspielen zumeist Herr im eigenen Haus. 35 Siegen und elf Remis standen gerade einmal drei Niederlagen gegenüber! Mannschaften wie AS Rom, Atletico Madrid, Benfica Lissabon oder Juventus Turin wurden in Dresden besiegt. Der größte internationale Erfolg in den Dynamo-Annalen war im Jahr 1989 das Erreichen des UEFA-Cup-Halbfinales gegen den späteren Vizemeister VfB Stuttgart (im Bild die Kapitäne Hans-Uwe Pilz und Guido Buchwald). 

Mit der politischen Wende 1989/90 setzte auch eine sportliche ein. Dem DDR-Meister von 1989 und 1990 gingen Leistungsträger wie Matthias Sammer (VfB Stuttgart) und Ulf Kirsten (Bayer Leverkusen) verloren. Obwohl der Gewinn der Vize-Meisterschaft der letzten DDR-Oberliga-Saison 1990/91 zum Aufstieg in die Bundesliga berechtigt hatte, avancierte Dynamo unter dem hessischen Präsidenten Rolf-Jürgen Otto zum Skandalverein. Für die Saison 1993/94 wurden wegen mehrerer Lizenzverstöße vier Punkte abgezogen. Weitere Ungereimtheiten und eine hohe Schuldenlast führten 1995 zum Lizenzentzug, der Verein musste in die drittklassige Regionalliga Nordost absteigen. Im Jahr 2000 folgte gar der Sturz in die Viertklassigkeit, ehe im Jahr 2002 mit dem Aufstieg in die damals noch zweigleisige dritte Liga eine Phase der Konsolidierung einsetzte.

Seitdem pendelt die SG Dynamo Dresden in größeren Abständen zwischen der dritten und zweiten Liga, wobei sowohl die Fans als auch die Vereinsverantwortlichen ihren ganz großen Traum noch nicht ad acta gelegt haben: „Eines Tages wird die Sportgemeinschaft wieder durch Europa reisen.“

 

Text: David Korehnke

 

Von Published On: 14. Oktober 2020Kategorien: 1. Herren
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